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Bildnachweis: Foto, ISS e.V.

Einsamkeit älterer Menschen – Fluch und Segen der Digitalisierung

Fachveranstaltung auf dem 14. Deutschen Seniorentag in Mannheim, 3. April 2025, 11:00 bis 12:30 Uhr


Inwieweit können digitale Technologien, vor allem soziale Medien zu Prävention und Linderung von Einsamkeit älterer Menschen beitragen? Bergen sie vielleicht selbst Risiken der Exklusion und Isolation? Und was braucht es an Bildung, um ältere Nutzerinnen und Nutzer zu befähigen, mithilfe digitaler Technik eigenständig Einsamkeit zu vermeiden?


In Kooperation des Kompetenznetz Einsamkeit (KNE) und des Fachbeirats Digitalisierung und Bildung für ältere Menschen (DigiBäM) – beides vom Bundesseniorenministerium (BMFSFJ) geförderte Projekte, die beim Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (ISS) angesiedelt sind – konzipierte und organisierte das ISS für den 3. April 2025 eine Fachveranstaltung auf dem 14. Deutschen Seniorentag, die dieser Fragestellung nachging. Moderiert wurde die Veranstaltung von Mirjam Dierkes, Bereichsleiterin am ISS.


Dr. Andrea Töllner, die im Fachbereich Senioren der Landeshauptstadt Hannover für alles rund um die Teilhabe älterer Menschen zuständig ist, zeigte zunächst auf, wie Kommunen – bzw. die Kreise – Maßnahmen zur Prävention und Linderung von Einsamkeit umsetzen können: Hier sind die Betroffenen lebensweltlich eingebettet, hier lassen sich Rahmenbedingungen festmachen, die einerseits sozialer Isolation Vorschub leisten und andererseits dem sozialen Miteinander förderlich sind und somit vor Einsamkeitserleben schützen können.


Zum anderen wurde hier auch deutlich, was unter aktuellen finanziellen Rahmenbedingungen im Handlungsfeld „gemeinsam gegen Einsamkeit“ möglich ist, wenn die Verantwortlichen vor Ort entsprechende Prioritäten setzen und die Kommune eine koordinierende Funktion bezüglich der beteiligten haupt- und ehrenamtlichen Akteurinnen und Akteure übernimmt. Hervorzuheben sind hierbei die Rahmungen in Hannover, die vor allem auf Menschen mit erhöhtem Einsamkeitsrisiko ausgerichtet sind, das sind die Stärkung sozialer Infrastruktur, zugehende Unterstützungsangebote und die Nutzung digitaler Technologien für das Miteinander vor Ort.


Prof. Dr. Claudia Müller, an der Universität Siegen am Institut für Wirtschaftsinformatik mit dem Schwerpunkt „IT für die alternde Gesellschaft“ tätig, ist zugleich Sprecherin des Fachbeirats DigiBäM. Im Einklang mit dem Siebten Altenbericht legte sie für den Fachbeirat DigiBäM in ihrem Vortrag dar, es gelte, mit Hilfe einer bereichsübergreifenden Sozialplanung sektorenübergreifend und sozialraumorientiert – also in Quartieren und Kiezen, die für die Einwohnerinnen und Einwohner lebensweltlich von Belang sind – die Menschen zum Mitmischen zu ermuntern und zusammenzubringen. Hierfür bräuchte es eine „ermöglichende Infrastruktur“ im Sinne von Begegnung, Begleitung, Beratung und Bildung: etwa eine Grundausstattung mit digitalen Endgeräten sowie Bildung für digitale Kompetenz und Souveränität, um das Exklusionsrisiko der Digitalisierung zu minimieren und die Möglichkeiten älterer Menschen, sie für soziale Teilhabe und Mitwirkung zu nutzen, zu erhöhen.


In der anschließenden, sehr engagierten Diskussion im Plenum wurde mehrfach betont, der Forderung an die Politik nach tragfähigen Altenhilfestrukturen vor Ort müsse Nachdruck verliehen werden. Schließlich seien die Kommunen in die Lage zu versetzen, eine für die Teilhabe älterer Menschen erforderliche Mindestinfrastruktur, und das umfasst auch eine frei zugängliche digitale Grundausstattung für alle, als Bestandteil kommunaler Daseinsvorsorge vorzuhalten. Gangbare Wege dorthin deuten sich sowohl in den aktuellen Fachdiskursen zur Stärkung der Altenhilfe über § 71 SGB XII als auch im Vorhaben des Berliner Senats an, ein Altenhilfestrukturgesetz zu formulieren.


Aus der Praxis wurde zurückgemeldet, viele ältere, insbesondere hochaltrige Menschen würden sich oftmals gegen neue digitale Technologien versperren. Wie sei damit umzugehen?
Der Fachbeirat DigiBäM ist der Auffassung, digitale Souveränität umfasse jeweils auch die Option, sich gegen die Anwendung solcher Techniken zu entscheiden. Daher sei es auch erforderlich, zur Bewältigung des Alltags erforderliche Zugänge auch in ihrer physischen, bzw. analogen Form aufrecht zu erhalten.


Gleichwohl stellt sich gerade mit Blick auf Maßnahmen gegen Einsamkeit die Frage, wie denn ältere Menschen erreicht und zur Aneignung digitaler Kompetenz bewegt werden können, die mutmaßlich dringend der Unterstützung in sozialer Isolation bedürfen und/ oder sich besonders gegen digitale Innovationen sträuben. In diesem Zusammenhang wurde zum einen auf zugehende, aufsuchende Formate der Begleitung und Beratung sowie auf die damit zu verknüpfende Verstärkung hauptamtlicher Fachkräfte durch ehrenamtlich Engagierte – vor allem auch aus der Peergroup der Adressierten – verwiesen. Zum anderen würden sich entsprechende Zugänge am ehesten ergeben, wenn auf Bedürfnisse und Interessen für Adressatinnen und Adressaten gesetzt wird, etwa auf den unmittelbaren Nutzen, der sich aus dem Gebrauch digitaler Techniken für sie ergibt. Am besten ist dies zu gewährleisten, wenn die Adressierten an der Gestaltung solcher Formate von vorne herein beteiligt werden.


Nähere Informationen finden sie hier:

Vortrag Dr. Andrea Töllner

Vortrag Prof. Dr. Claudia Müller

Thesenpapier des Fachbeirats DigiBäM